1. Gefragt, was UnternehmensGrün und
ich als Rechtsanwalt generell zum Regierungsentwurf
anzumerken habe, erlaube ich mir folgende Ausführung:
a) Auch der nunmehr vorliegende Entwurf
ist zu kompliziert, komplizierter noch als die zu
korrigierende Ausgangsregelung.
b) Das Grundproblem dieser Ausnahme von
der Grundregel besteht aber fort. Es gibt keinen objektiv
belegbaren Grund, die Unternehmensnachfolge im Erbschafts-
und Schenkungsfall dermaßen zu privilegieren. Zwar räumt das
Bundesverfassungsgericht (in seinem Urteil vom 17. Dezember
2014 – 1 BvL 21/12 –) ein, dass der Gesetzgeber bei der
Ausgestaltung solcher Regelungen große politische
Handlungsspielräume genießt. Rechtlich wird mithin kein
empirischer Beleg für den Regelungszweck verlangt, wonach
diese Ausnahmen dem Erhalt von kleinen und mittleren
Unternehmen dient. Es genügt die Absicht.
Aus dem Kreis unserer
Verbandsmitglieder ist mir kein Fall bekannt, der eine
solche Besserstellung von Erwerbern unternehmerischen
Vermögens bzw. Vermögensanteilen zum Erhalt des Betriebs
bedurft hätte. Die Besserstellung ist kein Gebot der
Nachhaltigkeit.
c) Steuergerechtigkeit und Steuermoral
gründen auf dem Konsens der Bevölkerung, dass die Regeln in
sich stimmig und gerecht sind. Die Verschonung von zu
vererbenden oder zu verschenkenden Betrieben, sei es bis 26
Mio. Euro, sei es mit der Möglichkeit nach § 13a Abs. 9
immerhin 52 Mio. Euro und eingedenk noch weiterer
Verschonungsmöglichkeiten bis hin zu 116 bzw. 142 Mio. Euro
(§ 13c Abs. 2) untergräbt die Steuermoral. Denn empirisch
belegbar sind Unternehmerinnen und Unternehmer zwar der
reichste Teil der deutschen Bevölkerung. Genau deshalb hätte
es für die starke Privilegierung einer entsprechend starken
Rechtfertigung bedurft. Die bloße Behauptung (Erhalt und
Kontinuität von KMU´s) genügt dafür nicht.
Bei unterstellt drei Kindern eines
Erblassers können zu vererbende Vermögen von
Verschonungsabschlägen in einer Größenordnung von 3 x 26
Mio. Euro, 3 x 52 Mio. Euro oder gar in den besonderen
Fällen 3 x 116 Mio. bzw. 142 Mio. Euro davon profitieren.
d) Aus unserer Sicht steht vielmehr zu
befürchten, dass sich Unternehmen im Hinblick auf den
Erbfall steuerlich optimieren. Ein extrem kapitalkräftiges
Unternehmen mit einem hohen Betriebsvermögen muss dieses
auslagern oder qua Entnahmen auf die
Eigentümer/Gesell-schafter verteilen und auszahlen, damit es
nicht erbschaftssteuerschädlich wird. Das Unternehmen wird
damit genau dem Polster beraubt, welches dem Nachfolger
ermöglicht hätte,
z. B. teure
Umstrukturierungsmaßnahmen zu ergreifen und das Unternehmen
neu auszurichten. Auch wäre es genau das Polster, welches
die Zahlung auch von Erbschafts- und Schenkungssteuern
ermöglicht hätte.
Mit einem Regelungskorsett, wie es
sich aus dem Regierungsentwurf ergibt, werden vom Erblasser
bzw. Schenker den Nachfolgern Fesseln auferlegt, die von
diesen aus steueroptimierenden Gründen beibehalten und
vermutlich auch akzeptiert werden, wenn das Unternehmen
bereits daraufhin ausgerichtet umgestaltet wurde. Ob dies
aber einer höheren Einsicht in den Betriebszweck, in die
nachhaltige Ausrichtung des Unternehmens folgt, ist durch
nichts belegbar. Unserer Auffassung nach lenkt eine solche
Ausrichtung hin auf einen steueroptimierten Übergang den
Blick vom Wesentlichen ab. Es ist zu befürchten, dass
anstehende und auch notwendige Veränderungsprozesse aufgrund
der Vorgaben nicht in Angriff genommen werden und dies die
Innovationskraft der die Regelung in Anspruch nehmenden
KMU´s lähmt, weil notwendige Änderungen verhindert oder
zumindest zeitlich verschleppt werden.
e) Viel sinnvoller wäre es deshalb,
wenn gerade bei der Vererbung von Betriebsvermögen ein
Systemwechsel eingeleitet würde (der für das gesamte
Erbrecht einen sinnvollen Anknüpfungspunkt bilden könnte)
und in Zukunft nur noch der Nachlass insgesamt und
einheitlich besteuert wird, also die Besteuerung nicht beim
Erwerber, sondern die Besteuerung beim Nachlass bzw. dem
Schenker systematisch anknüpft (ohne Differenzierung nach
Steuerklassen). Die Bemessungsgrundlage sollte bereit sein,
die Freibeträge (2 Mio. Euro) und ein Erbschaftssteuersatz
von 20 % bis zu einem Nachlassvolumen von 10 Mio. Euro mit
danach ansteigend auf den aktuellen Spitzensteuersatz, wie
er für die Einkommensteuer gilt, von 42 % erscheint uns
angemessen.
Sollte doch ein Erwerber Probleme
haben und der Betrieb gefährdet sein, so ist eine
Stundungsregelung, wie sie im Gesetzentwurf vorgesehen ist,
durchaus ein sinnvolles Element.
2. Gefragt was UnternehmensGrün am
Gesetzentwurf en detail zu beanstanden hat, erlauben Sie mir
folgende Anmerkung:
Nach meinem Rechtsverständnis hat
der Regierungsentwurf die Anforderungen des
Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2014 in rechtlich
nicht zu beanstandender Weise aufgegriffen, aber bei der
Umsetzung die verfassungsrechtlich zulässigen Grenzen
überschritten.
a) Es irritiert, dass die
Bundesregierung mit dem neuen Entwurf weit über das
hinausgeht, was in der Vergangenheit als Ausnahmeregelung
rein quantitativ möglich war. Allein diese weite Ausdehnung
erscheint verfassungsrechtlich zweifelhaft, da es keine
gesteigerte, die Ausdehnung rechtfertigende Begründung gibt.
b) Auch verwundert die Privilegierung
in § 13b Abs. 4, die geradezu als Einladung erscheint, dass
ein an Betriebsvermögen starkes Unternehmen, welches sich in
einem Bereich der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten
Größenordnung bewegt, eher den Unternehmenszweck eines
Kreditinstituts oder auch nur eines
Finanzdienstleistungsinstituts in den Fokus nehmen wird, in
der Hoffnung privilegiert bewertet zu werden. Es ist zu
befürchten, dass hier allzu kreative Umgestaltungen
erfolgen, zumal die Aufsicht über solche Institute nicht bei
den Finanzbehörden liegt, sondern woanders.
c) Wir haben auch erhebliche Zweifel,
ob der ausgestaltete Verschonungsabschlag in § 13c einer
verfassungsrechtlichen Überprüfung standhält. § 13c Abs. 2
sieht keine Kriterien vor, nach welchen die erhöhenden
Verschonungsabschläge gewährt werden. Der bloße Antrag
genügt.
d) Auch die Verschonungsbedarfsprüfung
nach § 28a Abs. 1 für Erwerber, die gewisse Wertgrenzen
übersteigen und dann lediglich den Nachweis erbringen
müssen, dass sie nicht in der Lage sind, aus ihrem
verfügbaren Vermögen die Steuern zu bestreiten, können eine
Ver-
schonung erfahren, die keiner
verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten dürfte. Eine
solche Regelung ist von einem kritikwürdigen Steuerdumping
und „Ruling“ nicht allzu weit entfernt.
e) Gegen eine großzügige
Stundungsregelungen ist selbstverständlich nichts
einzuwenden (§ 28a Abs. 3 und Abs. 7).
gez. Klaus Stähle
Rechtsanwalt
Vorstand UnternehmensGrün
Mit freundlichen Grüßen
Stähle
Rechtsanwalt