Kanzlei Stähle
Rechtsanwälte, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Sachverständige Stellungnahme vor dem Finanzausschuss des deutschen Bundestages zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, dem Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschafts-, Steuer- und Schenkungssteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Juli 2015

Sehr geehrte Frau Arndt-Brauer,

Ich nehme hier als Vorstand von UnternehmensGrün, dem Bundesverband der grünen Wirtschaft, und als Rechtsanwalt zum Regierungsentwurf Stellung. Da auf der Einladung der Verband und meine Verbandsfunktion nicht erwähnt wurden, erlaube ich mir die Anmerkung, dass UnternehmensGrün kein Teil der Grünen Partei ist. Der Verband ist unabhängig. Er setzt sich aus kleinen und mittleren Unternehmen zusammen und vertritt deren Interessen an einer Veränderung der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit, Ökologie, Umweltschutz und sozialer Verantwortung. UnternehmensGrün ist kein Branchenverband.

1. Gefragt, was UnternehmensGrün und ich als Rechtsanwalt generell zum Regierungsentwurf anzumerken habe, erlaube ich mir folgende Ausführung:

a) Auch der nunmehr vorliegende Entwurf ist zu kompliziert, komplizierter noch als die zu korrigierende Ausgangsregelung.

b) Das Grundproblem dieser Ausnahme von der Grundregel besteht aber fort. Es gibt keinen objektiv belegbaren Grund, die Unternehmensnachfolge im Erbschafts- und Schenkungsfall dermaßen zu privilegieren. Zwar räumt das Bundesverfassungsgericht (in seinem Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 –) ein, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung solcher Regelungen große politische Handlungsspielräume genießt. Rechtlich wird mithin kein empirischer Beleg für den Regelungszweck verlangt, wonach diese Ausnahmen dem Erhalt von kleinen und mittleren Unternehmen dient. Es genügt die Absicht.

Aus dem Kreis unserer Verbandsmitglieder ist mir kein Fall bekannt, der eine solche Besserstellung von Erwerbern unternehmerischen Vermögens bzw. Vermögensanteilen zum Erhalt des Betriebs bedurft hätte. Die Besserstellung ist kein Gebot der Nachhaltigkeit.

c) Steuergerechtigkeit und Steuermoral gründen auf dem Konsens der Bevölkerung, dass die Regeln in sich stimmig und gerecht sind. Die Verschonung von zu vererbenden oder zu verschenkenden Betrieben, sei es bis 26 Mio. Euro, sei es mit der Möglichkeit nach § 13a Abs. 9 immerhin 52 Mio. Euro und eingedenk noch weiterer Verschonungsmöglichkeiten bis hin zu 116 bzw. 142 Mio. Euro (§ 13c Abs. 2), untergräbt die Steuermoral. Denn empirisch belegbar sind Unternehmerinnen und Unternehmer zwar der reichste Teil der deutschen Bevölkerung. Genau deshalb hätte es für die starke Privilegierung einer entsprechend starken Rechtfertigung bedurft. Die bloße Behauptung (Erhalt und Kontinuität von KMUs) genügt dafür nicht.

Bei unterstellt drei Kindern eines Erblassers können zu vererbende Vermögen von Verschonungsabschlägen in einer Größenordnung von 3 x 26 Mio. Euro, 3 x 52 Mio. Euro oder gar in den besonderen Fällen 3 x 116 Mio. bzw. 142 Mio. Euro davon profitieren.

d) Aus unserer Sicht steht vielmehr zu befürchten, dass sich Unternehmen im Hinblick auf den Erbfall steuerlich optimieren. Ein extrem kapitalkräftiges Unternehmen mit einem hohen Betriebsvermögen muss dieses auslagern oder qua Entnahmen auf die Eigentümer/Gesellschafter verteilen und auszahlen, damit es nicht erbschaftssteuerschädlich wird. Das Unternehmen wird damit genau dem Polster beraubt, welches dem Nachfolger ermöglicht hätte, z. B. teure Umstrukturierungsmaßnahmen zu ergreifen und das Unternehmen neu auszurichten. Auch wäre es genau das Polster, welches die Zahlung auch von Erbschafts- und Schenkungssteuern ermöglicht hätte.

Mit einem Regelungskorsett, wie es sich aus dem Regierungsentwurf ergibt, werden vom Erblasser bzw. Schenker den Nachfolgern Fesseln auferlegt, die von diesen aus steueroptimierenden Gründen beibehalten und vermutlich auch akzeptiert werden, wenn das Unternehmen bereits daraufhin ausgerichtet umgestaltet wurde. Ob dies aber einer höheren Einsicht in den Betriebszweck, in die nachhaltige Ausrichtung des Unternehmens folgt, ist durch nichts belegbar. Unserer Auffassung nach lenkt eine solche Ausrichtung hin auf einen steueroptimierten Übergang den Blick vom Wesentlichen ab. Es ist zu befürchten, dass anstehende und auch notwendige Veränderungsprozesse aufgrund der Vorgaben nicht in Angriff genommen werden und dies die Innovationskraft der die Regelung in Anspruch nehmenden KMUs lähmt, weil notwendige Änderungen verhindert oder zumindest zeitlich verschleppt werden.

e) Viel sinnvoller wäre es deshalb, wenn gerade bei der Vererbung von Betriebsvermögen ein Systemwechsel eingeleitet würde (der für das gesamte Erbrecht einen sinnvollen Anknüpfungspunkt bilden könnte) und in Zukunft nur noch der Nachlass insgesamt und einheitlich besteuert wird, also die Besteuerung nicht beim Erwerber, sondern die Besteuerung beim Nachlass bzw. dem Schenker systematisch anknüpft (ohne Differenzierung nach Steuerklassen). Die Bemessungsgrundlage sollte bereit sein, die Freibeträge (2 Mio. Euro) und ein Erbschaftssteuersatz von 20 % bis zu einem Nachlassvolumen von 10 Mio. Euro mit danach ansteigend auf den aktuellen Spitzensteuersatz von 42 %, wie er für die Einkommensteuer gilt, erscheint uns angemessen.

Sollte doch ein Erwerber Probleme haben und der Betrieb gefährdet sein, so ist eine Stundungsregelung, wie sie im Gesetzentwurf vorgesehen ist, durchaus ein sinnvolles Element.

2. Gefragt, was UnternehmensGrün am Gesetzentwurf en detail zu beanstanden hat, erlauben Sie mir folgende Anmerkung:

Nach meinem Rechtsverständnis hat der Regierungsentwurf die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2014 in rechtlich nicht zu beanstandender Weise aufgegriffen, aber bei der Umsetzung die verfassungsrechtlich zulässigen Grenzen überschritten.

a) Es irritiert, dass die Bundesregierung mit dem neuen Entwurf weit über das hinausgeht, was in der Vergangenheit als Ausnahmeregelung rein quantitativ möglich war. Allein diese weite Ausdehnung erscheint verfassungsrechtlich zweifelhaft, da es keine gesteigerte, die Ausdehnung rechtfertigende Begründung gibt.

b) Auch verwundert die Privilegierung in § 13b Abs. 4, die geradezu als Einladung erscheint, dass ein an Betriebsvermögen starkes Unternehmen, welches sich in einem Bereich der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Größenordnung bewegt, eher den Unternehmenszweck eines Kreditinstituts oder auch nur eines Finanzdienstleistungsinstituts in den Fokus nehmen wird, in der Hoffnung privilegiert bewertet zu werden. Es ist zu befürchten, dass hier allzu kreative Umgestaltungen erfolgen, zumal die Aufsicht über solche Institute nicht bei den Finanzbehörden liegt, sondern woanders.

c) Wir haben auch erhebliche Zweifel, ob der ausgestaltete Verschonungsabschlag in § 13c einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhält. § 13c Abs. 2 sieht keine Kriterien vor, nach welchen die erhöhenden Verschonungsabschläge gewährt werden. Der bloße Antrag genügt.

d) Auch die Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a Abs. 1 für Erwerber, die gewisse Wertgrenzen übersteigen und dann lediglich den Nachweis erbringen müssen, dass sie nicht in der Lage sind, aus ihrem verfügbaren Vermögen die Steuern zu bestreiten, können eine Verschonung erfahren, die keiner verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten dürfte. Eine solche Regelung ist von einem kritikwürdigen Steuerdumping und "Ruling" nicht allzu weit entfernt.

e) Gegen eine großzügige Stundungsregelungen ist selbstverständlich nichts einzuwenden (§ 28a Abs. 3 und Abs. 7).

gez. Klaus Stähle
Rechtsanwalt
Vorstand UnternehmensGrün

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